Das berühmte Angkor (Wat)

„Krass, was die Menschen schon damals vor über 1000 Jahren erbaut und erschaffen haben!“

Tag 60 bis 63 – Angkor Wat ist mit Abstand die bekannteste Sehenswürdigkeit in Kambodscha und für viele Reisende der Hauptgrund (wenn nicht sogar einzige Grund) Kambodscha zu besuchen. Wir wussten zuvor nicht genau was uns erwarten würde, außer natürlich dass es wohl atemberaubend und sehr beeindruckend sein muss. Um das UNESCO-Weltkulturerbe zu besichtigen zahlt man (einen durchaus teuren) Eintritt. Es gibt drei verschiedene Ticketoptionen (a) Tagesticket (b) 3-Tages-Pass oder (c) 7-Tages-Pass. Wir haben uns dazu entschieden, eine geführte 2-tägige Tour mit ortskundigem Guide zu buchen, um in der gigantischen Welt aus Tempeln mit komplexem historischen Hintergrund von immenser Bedeutung nicht vollkommen überfordert dazustehen. Den dritten Tag wollten wir uns offen halten, um möglicherweise mit mehr Ruhe nochmal zu den schönsten Orten zurück zu kehren oder weitere Gebiete auf eigene Faust zu erkunden. Genau die richtige Entscheidung! Nick und Sam haben uns auf der geführten Tour einen hervorragend einen Einblick in die Welt des Khmer-Reiches geschenkt und mit ihren Geschichten und Erklärungen zumindest ansatzweise Verständnis für die historischen Bedeutung ermöglicht. Nach diesen zwei intensiven Tagen brauchten wir dann aber auch erstmal einen Tag Ruhe und Abstand, um die Vielzahl an Informationen zu verarbeiten und die Eindrücke sacken zu lassen. Das war auch unproblematisch möglich, weil der 3-Tages-Pass eine Woche gültig ist und die drei Besuche nicht am Stück hintereinander eingelöst werden müssen.

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Learning: Angkor (Wat) ist soviel mehr als nur ein Tempel, und noch weitaus mehr als die Meisten vermutlich glauben zu wissen. Der Begriff Angkor Wat wird im allgemeinen Sprachgebrauch häufig als falsches bzw. missveständliches Synonym für die gesamte Angkor-Region verwendet. Dabei handelt es bei Angkor Wat selbst (Hinweis: „wat“ oder „vat“ = Tempel) „nur“ um den bekanntesten Tempel des gigantischen Geländes mit einer Vielzahl an prächtigen, bedeutsamen Tempeln. Das Wort „angkor“ bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie Stadt. Einige der Tempelanlagen befinden sich in einem riesigen Quadrat (Angkor Thom) aus massiven Steinmauern umgeben von breiten Wassergräben. Dieser Bereich wurde im 12. bis 13. Jahrhundert als neue Hauptstadt errichtet („thom“ = Groß- oder Haupt-). Um alle großen und kleinen Tempel (ca. 1.000 Stück) des Angkor-Reiches zu besichtigen bräuchte man vermutlich mehrere Wochen. Wir haben nur einen kleinen Teil gesehen, in dem sich die meisten der großen und bekannten Tempel befinden. Dennoch sind jeweils mit dem Bus von einem zum nächsten gefahren, teilweise Strecken von 20-30 Minuten.

Fun Fact: Das gesamte Angkor-Reich (trotz des gigantischen Ausmaß) lag jahrelang im tiefen Dschungel verborgen und wurde erst spät wiederentdeckt. Auch heute werden vereinzelt noch neue kleine Tempel bzw. dessen Ruinen entdeckt und erforscht.

In den beiden Tagen mit Nick und Sam haben wir die drei wichtigsten bzw. berühmtesten Tempel (Angkor Wat, Bayon, Ta Prohm) und noch einige weitere darüber hinaus besichtigt und somit in kurzer Zeit einen doch sehr guten Eindruck von der riesigen Anlage erhalten. Es würde Tage dauern alles aufzuschreiben, was die Beiden uns erklärt und gezeigt haben. Mindestens die Hälfte hatten wir am jeweiligen Abend auch schon wieder vergessen und vermutlich ist von dem Rest auch nur ein Bruchteil interessant, wenn man nicht selbst dort war und die besondere Atmosphäre gespürt hat. Die für uns prägendsten Erinnerungen und einige spannende Hintergrundinformationen wollen wir trotzdem gerne mit euch teilen. Spoiler: Es ist immer noch sehr viel, obwohl wir versucht haben uns kurz zu halten. Falls du kein Interesse an der Geschichte von alten Tempel hast, dann einfach direkt zu den Fotos scrollen und die bildlichen Eindrücke wirken lassen.

Learning: In der Angkor-Region gibt es sowohl buddhistische als auch hinduistische Tempel, die sich jeweils durch bestimmte charakteristische Merkmale auszeichnen. Aufgrund der langen Historie mit wechselnden Herrschern und sich weiterentwickelnden Weltbildern sieht man in den Details und typischen Aspekten eine Veränderung. Alle Tempel sind sehr unterschiedlich und weisen individuelle Besonderheiten auf. Zugleich gibt es aber auch sehr viele Gemeinsamkeiten und ähnliche Facetten, sodass man nach nur zwei bis drei Tagen tatsächlich ein gutes Gefühl für die Tempel von Angkor gewonnen hat. Alle Tempel orientieren sich in ihrer Bauweise an symmetrischen Mustern, geometrischen Strukturen und Parallelitäten.

Tempelarten (absteigende Größte und Imposanz)

  1. Royal (= königliche) Tempel: nur für den König zugänglich, Machtdemonstration, ggf. spätere Grabstätte des Königs
  2. Ancestor (= Ahne, Vorfahre) Tempel: Grabstätten für verehrte Familienmitglieder des Königs (Vater, Mutter, Kinder)
  3. Religional (= religiöse) Tempel: für die Bevölkerung, öffentlich zugänglicher Ort zum Beten

Unterschiede zwischen buddhistischen und hinduistischen Tempeln (kein Anspruch auf Richtigkeit!)

Buddhistische Tempel

  • Tempel sind ebenerdig gebaut, denn Buddha würde auf der Erde gemeinsam mit und als ihresgleichen zwischen den Menschen leben anstatt abgesondert.
  • In vielen Türrahmen befinden sich mittig am Boden zusätzliche Erhöhungen oder Stufen, damit man nicht einfach so hindurch gehen kann, sondern es Anstrengung benötigt und Blick und Kopf als Zeichen von Ehrfurcht und Respekt gesenkt sind. Angeblich bringt es schlechtes Karma, wenn man mit dem Fuß auf die Stufe tritt, also immer schon die Füße anheben.
  • Zu dieser Zeit herrschte noch eine andere Form (Mahayana) des Buddhismus als der heutige weit verbreitete Theravada-Buddhismus vor. Entsprechend wurde Buddha oftmals anders dargestellt im Vergleich zu der heutigen bekannten Körperhaltung.

Hinduistische Tempel

  • Ein Tempel hat immer mehrere Ebenen, um die aufsteigende Richtung Himmel/Paradies (der Ort an dem die Göttern leben) wieder zu spiegeln.
  • In der Mitte der höchsten Ebene steht ein Turm, der den Berg symbolisieren soll auf dem der jeweilige Gott (meistens Shiva oder Vishnu) dem der Tempel gewidmet ist lebt (Götter leben auf Bergen im Himmel/Paradies).
  • Die Stufen hinauf zum höchsten Turm sind extrem steil und meistens sehr schmal. Es soll bewusst nicht möglich sein, dort normal hochzulaufen, sondern als Zeichen der Ehrfurcht und des Respekts lediglich mit gebeugtem Kopf und auf Händen und Füßen unter enormer Anstrengung hochzuklettern. Zudem war dieser Ort zumeist nur dem König vorbehalten (spätere Grabstätte).
  • Bei sehr alten hinduistischen Tempeln haben alle Türme nur eine geöffnete Seite/Tür in Richtung Osten, weil diese Richtung Sonnenaufgang gerichtet ist und Sonnenaufgang scheinbar für Glück und Lebensenergie steht. Im Gegensatz dazu bedeutet die westliche Richtung und der Sonnenuntergang wohl Unheil oder Tod.

Learning: Für den Bau der gigantischen, prachtvollen Tempelanlagen wurden jeweils viele viele Menschen benötigt, dabei handelte es sich jedoch nicht unbedingt um Sklaven. Den Königen war bewusst, dass es für die Errichtung solch komplexer Bauwerke kluge Köpfe und gebildete Fachleute (z.B.: Architekten, Ingenieure) benötigt. Die Arbeiter wurden zwar nicht bezahlt, aber Geld spielte für sie wohl auch keine Rolle, denn es war eine große Ehre für den König (Gottesvertretung auf Erden) höchstpersönlich zu arbeiten und den Bau eines Tempel zu unterstützen. Zudem natürlich auch gut für das eigene Karma. Im Gegenzug stellten die Könige zumeist täglich ein Festmahl in Form eines Buffets für die Arbeiter.

Angkor Wat (hinduistischer Tempel)

  • In jedem Detail zu 100% symmetrisch (wirklich faszinierend!) und sehr besonders in seiner astronomischen Ausrichtung (z.B.: Sonnenaufgang genau über dem mittleren Turm).
  • 4 Türme in den Ecken des innersten Quadrates = 4 Elemente (Wasser, Himmel, Erde, Feuer)
  • Turm in der Mitte des Tempels auf der höchsten Ebene = Berg der Götter (Glaube, dass die Götter im Himmel auf einem Berg leben bzw. teilweise auch, dass die jeweiligen Gottheiten auf ihren eigenen Bergen leben)
  • In der gesamten Region (inkl. Siem Reap) darf kein Gebäude höher sein als der höchste Turm von Angkor Wat.
  • Detailreiche Verzierungen, die mit viel Aufwand und Mühe in die Steinwände gemeißelt wurden. Scheinbar sind alle Figuren Unikate und bei ganz genauem Hinschauen würde einem immer ein feiner einzigartiger Aspekt auffallen – unfassbar, bei der gigantischen Anzahl an kleinen Figuren.
  • Der Tempel wurde von oben nach unten und von der Mitte nach Außen gebaut, man hat also mit der höchsten Ebene und dem zentralen Turm darauf angefangen.

Bayon (buddhistischer Tempel)

  • 54 Türme mit jeweils 4 Buddha-Gesichtern, die rundum in alle Himmelsrichtungen blicken (= 116 Gesichter) – Bedeutung: Die Gottheit und der König sehen und wissen alles was im gesamten Königreich (54 Bezirke = Anzahl der Türme) passiert, man sollte sich also nichts zu Schulden kommen lassen. Eine symbolische Machtdemonstration gegenüber dem Volk. Am Tempel selbst ist es Menschen nicht möglich zu lügen. Daher kommen auch heute noch (gewählte) Politiker und Staatsoberhäupter hierher um ein Gelübde abzulegen und damit ihre Wahrhaftigkeit zu beweisen.
  • Trotz des hohen Alters und extremer Verwitterung durch den Lauf der Zeit und das Wetter gibt es noch eine Vielzahl an erstaunlich gut erhaltenen detaillierten Steinmetzarbeiten, Verzierungen und Figuren – Wirklich sehr beeindruckend!
  • Bayon wurde als buddhistischer Tempel erbaut. Ursprünglich waren die Buddha-Gesichter freundlich bzw. mit lächelndem Mund gebaut. Zudem gab es zahlreiche weitere kleine eingemeißelte Buddha-Figuren und typische buddhistische Verzierungen an den Wänden. Später wurde der Tempel von Hinduisten übernommen und entsprechend angepasst. Die Gesichter an den Türmen wurden mit Ohrringen, Ketten und Haarschmuck ausgestattet und der Ausdruck der Gesichter wurde in grimmige bzw. streng aussehende Blicke verwandelt. Scheinbar als Zeichen der Stärke, Würde und Macht. Zudem wurden ebenfalls viele der kleinen Buddha-Figuren und Verzierungen so gut wie möglich entfernt, man sieht oft noch übrig gebliebene Umrisse. (Ähnliche Zerstörungen bzw. Veränderungsmaßnahmen kann man in weiteren Tempeln beobachten, welche ursprünglich von buddhistischen Herrschern erbaut und später von hinduistischen besetzt wurden.)

Ta Prohm (Urwald Tempel)

  • Im Laufe der Zeit hat sich die Natur den von Menschen erbauten Tempel zurück erobert – ein großartiger Anblick! Die Mauern werden von mächtigen Wurzeln, Bäumen und Moos überwuchert. Teilweise scheint es fast so als würde die Überreste und Ruinenstücke der Tempelanlage nur durch die Wurzeln zusammengehalten und ohne die Hilfe des Waldes bereits zu einem traurigen Haufen Steine zusammengefallen zu sein.
  • Die ultimative „Indiana Jones Kulisse“ wie es im Reiseführer so schön beschrieben wird. „Lost Place“ oder „mystischer Ort“ wären vermutlich auch gute Beschreibungen, wenn es nicht so viele Touristen gäbe, dass man nie auch nur einen Moment alleine ist.
  • Drehort im Film Tomb Raider und daher umso beliebter als Fotomotiv bei vielen Touristen.

Der wichtigste und meist verehrte König in der Geschichte Kambodschas (= Jayavarman VII.)

  • Errichtung von vielen kleinen Tempel für die Bevölkerung zum Beten (Religional Tempel).
  • Bau von >100 Krankenhäusern im gesamten Königreich, in dem alle Menschen (egal ob buddhistischer oder hinduistischer Glaube) bei schweren Verletzungen kostenfrei behandelt wurden.
  • Bau von Raststätten an allen Hauptverkehrsstrecken inkl. Überdachtem Platz zum Schlafen, Kochstelle, Wasserbecken oder Brunnen.
  • Nach seinem Tod wurde keiner seiner beiden Söhne neuer König, weil einer im Krieg verstorben war und der andere sich zu diesem Zeitpunkt in einem Kloster in Sri Lanka befand. Das Land wurde dann von einem hinduistischen Herrscher übernommen. Scheinbar kehrte sein Sohn einige Jahres später zurück und lehrte die Menschen die in Sri Lanka verbreitete Glaubensform des Theravada-Buddhismus.

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